Die Anfänge
1867
Publikation im Tagblatt der Stadt Zürich vom 21. Juni als Aufruf an Turner und Turnfreunde in Aussersihl, einen Verein zu gründen. Erste Planung, provisorischer Vorstand, Zwistigkeiten mit dem Präses und weitere Schwierigkeiten.
1868
Gründungsversammlung am 30. Juni mit 9 Gründungsmitgliedern in der Wirtschaft zum Vorbahnhof mit dem Vorsatz „mit bescheidenen Mitteln Tüchtiges zu leisten befähigt und vom Pflichtgefühl durchdrungen zu sein, eine Verbindung von jungen Menschen zu gründen, die durch ruhiges und sittsames Betragen den Vorurteilen begegnen, die sich gerne über derartige Gesellschaften zu entladen pflegen“.
Zwei Turnstunden pro Woche, keine Ausrüstung, kein Lokal, nur ein Reck und ein kurzer Barren beim Zentralschulhaus. Zwangspause im Winter. Schliesslich Übungskeller im alten Schulhaus an der Badenerstrasse gefunden. Gesuch eingereicht, die Geräte des Schulhauses an der Langstrasse auszugraben, im Übungskeller aufzustellen und im Frühling wieder zurückzubringen. Gesuch wird nicht bewilligt und für neue Geräte fehlt das Geld. Erste monatliche Versammlungen, Albert Benninger als erster Oberturner gewählt.
1872
Der Töchterchor sammelt Geld für die erste Vereinsfahne. Fahnenweihe im Gasthaus zur Blume.
1876
Der Turnverein übernimmt die Bildung eines Feuerwehrkorps; damit entsteht die Aussersihler Feuerwehr. Viele Mitglieder dienen ihr bis zu den höchsten Kommandostellen.
Teilnahme am Eidgenössischen Turnfest in Bern.
„Der Eindruck, den unsere Sektion auf das Kampfgericht ausgeübt hatte, musste kein überwältigender gewesen sein, erhielt doch Aussersihl von 31 am Wettkampf teilnehmenden Vereinen nur den 29. ungekrönten Preis. Der zur Inempfangnahme des Preises abgeordnete Turner kehrte freudestrahlend zurück und schwang hoch in seiner Linken einen silbernen Becher, während seine Rechte zwei Flaschen Ehrenwein umklammerte, welche vom Festkomitee zur „Verschwellung“ mitgegeben wurden. In überbordender Freude floss der goldene Wein in den Becher und um die Runde, doch ein Trompetensignal ließ den Festhüttenlärm verstummen und von der Tribüne verkündete ein Mitglied des Festkomitees, dass aus Versehen ein silberner Becher, als Eigentum der Metzgerzunft Bern zum Kredenzen des Ehrenweins geliehen, auf den Gabentisch gestellt und wahrscheinlich von einem Turner als Gabe mitgenommen worden sei. Mit Wehmut wurde der Aufforderung Folge geleistet, während die zwei Flaschen Ehrenwein bereits unwiederbringlich durch die Kehlen geflossen waren.“
28 aktive Mitglieder, als Lokal immer noch nur der Keller.
„Unter welchen Verhältnissen unsere Turner-Vorfahren ihr Training durchführten, soll unserer heutigen, durch die letzten Errungenschaften der Technik etwas verwöhnten Jungmannschaft [von 1943], nicht vorenthalten werden. In dem einen Kellerabteil [des Zentralschulhauses], dessen Boden anfänglich mit Backsteinen, später mit Gerberlohe belegt war, befanden sich zwei Recke und ein langer Barren. Schwungübungen am Reck konnte ein mittelgrosser Turner nur mit gebeugten Beinen ausführen, wenn nicht Staub und Lohe im ganzen Lokal herumgeworfen werden sollten, und bei einer freien Felge hat er sich hübsch in der Nähe der Reckstange zu halten, um nicht mit den Beinen an der Decke anzustoßen.
In einem zweiten Abteil befanden sich der kürzere Barren und das Pferd. An ersterem konnte wiederum ein ordentlich gewachsener Turner einen Handstand nicht voll ausstrecken, ohne mit den Füßen gegen die Decke zu stoßen.
Das dritte Abteil wurde für Frei‑, Stab- und Ordnungsübungen benützt. Alle drei Abteile waren noch durch Holzsäulen abgestützt, sodass auch in dem von Geräten freien Keller nie mehr als zwölf Mann gleichzeitig turnen konnten. In der Reckabteilung soll man oft Mühe gehabt haben, sich in den Staubwolken zurecht zu finden, und noch am andern Tag erinnerte das Schnupftuch an die vergangene Turnstunde.“
1877
Mit dem 11. Rang von 23 Vereinen am Kantonalturnfest erstmals nahe den Kränzen. Erste Statutenrevision nach lebhafter Beratung.
Wie lebhaft die Beratung war, liest man hier unten:
„Als weiteres und wichtiges Geschäft liegt dem Vorstand 1877 noch die Revision der Vereinsstatuten auf dem Magen und dieselbe wird so gründlich und unter so heftiger Diskussion durch genommen, daß Heiri Keller (Wirt zum Steinbock) mehr wie einmal den Kopf durch die Türe steckt, in der Meinung, wir hätten einander beim Grind genommen.“
1886
11. Rang am Eidgenössischen Turnfest in Basel. „Diese Erfolge brachten neben einer Vermehrung des Ansehens auch eine wesentliche Erhöhung des Vertrauens der Behörden zum Turnverein.“ Diesmal erfolgreiche Bewerbung zur Durchführung des kantonalen Turnfests 1887.
1887
Organisation des Kantonalturnfests:
Ehrenpräsidium des Gemeindepräsidenten und eines Kantonsrats, Stab von 60 Mann, Unterstützung der Bevölkerung mit 3570 Franken an Aktien und 2382.50 an freiwilligen Beiträgen und prächtige Gaben. Festplatz ist der Exerzierplatz neben der Kaserne. Grosse Festhütte mit elektrischer Beleuchtung, einheitliche tadellose Turngeräte, Festmusik „Konkordia“ für 850 Franken Gage, Einquar-tierung des Kantonalvorstands, des Kampfgerichts und der Einzelwettturner in Privatunterkünften, Mas-senquartier in der Kaserne, Überschuss von 1370 Franken generiert und dank dem Turnfest eine Zunahme der Mitglieder von 137 auf 188.
„Am Vortage, während die ganze Einwohnerschaft noch mit Dekorieren der Häuser und Strassen beschäftigt war, rückten bereits der Kantonalvorstand, das Kampfgericht und die Abgeordneten der am Feste teilnehmenden Sektionen ein, um den Festplatz und die Massenquartiere in Augenschein zu nehmen. Zur nicht geringen Bestürzung der Aussersihler nahm das seit drei Wochen andauernde prächtige Sommerwetter gerade am Vortage des Festes Abschied und ein mächtiger Windsturm, der die Straßen in Staubwolken hüllte, schleppte Gewitterwolken herbei, die nichts gutes ahnen ließen. Der Festmorgen, durch Böllerschüsse aufgeweckt, sah einen impo-santen Festzug von ca. 1500 Turnern, begleitet von zwei Musikkorps und einem 16 Mann starken Tambourenkorps des festgebenden Vereins durch die reich beflaggten Strassen Aussersihls ziehen. Eine grosse turnfreundliche Menschenmenge begrüsste überall die einziehenden Scharen im weissen Gewand. … In den Ansprachen … des Festpräsidenten von Aussersihl, Kantonsrat Fritschi, wurde u.a. auch der bevorstehenden Vereinigung von Zürich mit den Aussengemeinden, die der in Finanznöten steckenden Gemeinde Aussersihl besonders am Herzen lag, Erwähnung getan und mit begeisterten Worten ein guter Erfolg der Bemühungen herbeigesehnt.
Beim Sektions- und Einzelwetturnen öffnete der Himmel unbarmherzig seine Schleusen und goss seinen Vorrat als höchst unwillkommene Gabe auf den Festplatz. In aller Eile mussten die Geräte in die Militär- und Privatreitanstalten, sowie in die Turnhalle transportiert und dort die turnerische Arbeit fortgesetzt werden. Das Abendbankett vereinigte Turner und Gäste in der Festhütte. Bald war diese durch den kolossalen Zudrang des Publikums überfüllt, sodass noch Sitzgelegenheiten im Freien geschaffen werden mussten. Vorträge der Festmusik, des Männerchors Aussersihl und der Gesangssektion des Turnvereins, sowie Vorführungen der Sektionen Wädenswil und Basel-Grütliturnverein ernteten stürmischen Beifall.“
1888
Eidgenössisches Turnfest in Luzern.
1889
Neuer Festturnus auf eidgenössischer und kantonaler Ebene, deshalb kein grosses Turnfest in diesem Jahr. Dafür Delegation von 8 Turnern in einer überregional gebildeten Sektion, die ans Deutsche Bundesturnfest in München fährt. Stiftung der zweiten Fahne, wieder durch den Töchterchor Aussersihl. Fahnenweihe mit Preisschauturnen und Abendunterhaltung in der Turnhalle.
Ein Gedicht des Winterthurer Schriftstellers und Heimatdichters Jakob Christoph Heer für die Fahnenweihe von 1889
Ihr Turner, so lasst Euer Banner wehen,
Der Treue Zeichen, hoch im Sommerduft,
Wenn durch den Wald der Turnfahrt Klänge gehen,
Das Horn zum frohen Wettkampf ruft,
Und führ‘ es Euch von Sieg zu grösserem Siege;
Doch auch zum grössten, daß es immerdar,
So oft es flatternd Euch zu Häupten fliege,
Euch freudig grüsse als geeinte Schar.
Die Einigkeit, sie sei Euch Ziel und Ende,
Das mahnt des Banners herrliches Symbol,
Das sinn‘ge schöne Bild verschlungener Hände,
O, nehmt es hin, als Mahnung, Stern und Pol.
Dann mag der Kranz auch wohl die stolze Fahne,
Einst schmücken mit des Lorbeers dunkelm Grün,
Wenn jubelfreudig unterm Festaltane
Die Turnervölker froh vorüberziehn.
„Heil Aussersihl“ – Wie wird es widertönen
In unsern Herzen, ja bei Jung und Alt,
Wenn laut der Preis von unsern wackern Söhnen,
Die Kunde ihres Siegs das weite Land durchschallt.
1890
Der Turnverein Aussersihl ist schweizweit bekannt, Einladungen zu Schauturnen und Turnfesten. Teilnahme am Schaffhauser Kantonalturnfest in Hallau. Erster Sieg im Sektionswettturnen an einem Kantonalturnfest in der Enge. Weitere Zunahme der Mitglieder auf 249. Daher aber auch wieder Platzprobleme.
1891
Eidgenössisches Turnfest in Genf. Teilnahme mit 80 Mann (Festbummler inbegriffen) dank Unterstützung durch Freunde und Gönner. Turnerischer Erfolg: höchste Note in der ersten Kategorie, „mit einem zu 300 Franken gewerteten Trinkhorn als Gabe beehrt“. Empfang durch Behörden und Bevölkerung. Verlegung des Vereinslokals in das neu eröffnete „Kasino“, turnerisch – gesangliche Vorstellungen, wohltätige Vergabungen aus dem finanziellen Ergebnis möglich.
1892
Kein kantonales oder eidgenössisches Turnfest. Deshalb initiiert der Aussersihler Oberturner Jacques Wydler eine Zürcher Sektion, die am VIII. Französischen Bundesturnfest in Nancy teilnimmt (23 Aussersihler und 13 andere Zürcher Turner).
1893
Kantonalturnfest in der Nachbarschaft in Wiedikon.
Gediegene 25-Jahr-Jubiläumsfeier mit Preisschauturnen. Gute und fruchtbare Vorbereitungssitzungen. „Wie vor altem gediehen die wichtigsten Beschlüsse unter dem wohltätigen Einflusse des köstlichen Nasses, dem die Wirte ihr Dasein und die Komiteemitglieder ihre leeren Portemonnaies verdanken.“ Festtag: Wetterpech, Festzug und Preisschauturnen fallen ins Wasser, Mittagsbankett im Kasinosaal, Abendunterhaltung, Zirkusaufführung.
Gründung einer Gesangssektion:
1871 Aufnahme des Gesangsunterrichts, zuerst aber „nur Kneiplieder, welche die Sänger auf die Dauer selbst nicht befriedigten“. Zerfall der Gesangssektion. Neugründung 1877⁄78, es fehlte aber am „nötigen Stimmenmaterial“. Der in Aussersihl neugewählte Lehrer Albert Wydler nahm einen neuen Anlauf: Vereinigung unserer Gesangssektion mit jener des Ämtler Vereins. 1894 übernahm der Oberturner Jacques Wydler auch die Leitung der Gesangssektion.
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