150 Jahre Turnverein Aussersihl, Anekdoten aus dem Vereinsleben

Copyright © 1868 - 2018 Turnverein Aussersihl Zürich /tvaz.ch

 

 

 

 

Die Anfänge

1867

Publi­ka­ti­on im Tag­blatt der Stadt Zürich vom 21. Juni als Auf­ruf an Tur­ner und Turn­freun­de in Aus­ser­sihl, einen Ver­ein zu grün­den. Ers­te Pla­nung, pro­vi­so­ri­scher Vor­stand, Zwis­tig­kei­ten mit dem Prä­ses und wei­te­re Schwierigkeiten.

1868

Grün­dungs­ver­samm­lung am 30. Juni mit 9 Grün­dungs­mit­glie­dern in der Wirt­schaft zum Vor­bahn­hof mit dem Vor­satz „mit beschei­de­nen Mit­teln Tüch­ti­ges zu leis­ten befä­higt und vom Pflicht­ge­fühl durch­drun­gen zu sein, eine Ver­bin­dung von jun­gen Men­schen zu grün­den, die durch ruhi­ges und sitt­sa­mes Betra­gen den Vor­ur­tei­len begeg­nen, die sich ger­ne über der­ar­ti­ge Gesell­schaf­ten zu ent­la­den pflegen“.

Zwei Turn­stun­den pro Woche, kei­ne Aus­rüs­tung, kein Lokal, nur ein Reck und ein kur­zer Bar­ren beim Zen­tral­schul­haus. Zwangs­pau­se im Win­ter. Schliess­lich Übungs­kel­ler im alten Schul­haus an der Bade­n­er­stras­se gefun­den. Gesuch ein­ge­reicht, die Gerä­te des Schul­hau­ses an der Lang­stras­se aus­zu­gra­ben, im Übungs­kel­ler auf­zu­stel­len und im Früh­ling wie­der zurück­zu­brin­gen. Gesuch wird nicht bewil­ligt und für neue Gerä­te fehlt das Geld. Ers­te monat­li­che Ver­samm­lun­gen, Albert Ben­nin­ger als ers­ter Ober­tur­ner gewählt.

Barrenturner im Freien Copyright © 1868 - 2018 Turnverein Aussersihl Zürich /tvaz.ch

Reck­tur­ner im Frei­en Copy­right © 1868 – 2018 Turn­ver­ein Aus­ser­sihl Zürich /tvaz.ch

1872

Der Töch­ter­chor sam­melt Geld für die ers­te Ver­eins­fah­ne. Fah­nen­wei­he im Gast­haus zur Blume.

1876

Der Turn­ver­ein über­nimmt die Bil­dung eines Feu­er­wehr­korps; damit ent­steht die Aus­ser­sih­ler Feu­er­wehr. Vie­le Mit­glie­der die­nen ihr bis zu den höchs­ten Kommandostellen.

Teilnahme am Eidgenössischen Turnfest in Bern.

„Der Ein­druck, den unse­re Sek­ti­on auf das Kampf­ge­richt aus­ge­übt hat­te, muss­te kein über­wäl­ti­gen­der gewe­sen sein, erhielt doch Aus­ser­sihl von 31 am Wett­kampf teil­neh­men­den Ver­ei­nen nur den 29. unge­krön­ten Preis. Der zur Inemp­fang­nah­me des Prei­ses abge­ord­ne­te Tur­ner kehr­te freu­de­strah­lend zurück und schwang hoch in sei­ner Lin­ken einen sil­ber­nen Becher, wäh­rend sei­ne Rech­te zwei Fla­schen Ehren­wein umklam­mer­te, wel­che vom Fest­ko­mi­tee zur „Ver­schwel­lung“ mit­ge­ge­ben wur­den. In über­bor­den­der Freu­de floss der gol­de­ne Wein in den Becher und um die Run­de, doch ein Trom­pe­ten­si­gnal ließ den Fest­hüt­ten­lärm ver­stum­men und von der Tri­bü­ne ver­kün­de­te ein Mit­glied des Fest­ko­mi­tees, dass aus Ver­se­hen ein sil­ber­ner Becher, als Eigen­tum der Metz­ger­zunft Bern zum Kre­den­zen des Ehren­weins gelie­hen, auf den Gaben­tisch gestellt und wahr­schein­lich von einem Tur­ner als Gabe mit­ge­nom­men wor­den sei. Mit Weh­mut wur­de der Auf­for­de­rung Fol­ge geleis­tet, wäh­rend die zwei Fla­schen Ehren­wein bereits unwie­der­bring­lich durch die Keh­len geflos­sen waren.“

28 aktive Mitglieder, als Lokal immer noch nur der Keller.

„Unter wel­chen Ver­hält­nis­sen unse­re Tur­ner-Vor­fah­ren ihr Trai­ning durch­führ­ten, soll unse­rer heu­ti­gen, durch die letz­ten Errun­gen­schaf­ten der Tech­nik etwas ver­wöhn­ten Jung­mann­schaft [von 1943], nicht vor­ent­hal­ten wer­den. In dem einen Kel­ler­ab­teil [des Zen­tral­schul­hau­ses], des­sen Boden anfäng­lich mit Back­stei­nen, spä­ter mit Ger­ber­lo­he belegt war, befan­den sich zwei Recke und ein lan­ger Bar­ren. Schwung­übun­gen am Reck konn­te ein mit­tel­gros­ser Tur­ner nur mit gebeug­ten Bei­nen aus­füh­ren, wenn nicht Staub und Lohe im gan­zen Lokal her­um­ge­wor­fen wer­den soll­ten, und bei einer frei­en Fel­ge hat er sich hübsch in der Nähe der Reck­stan­ge zu hal­ten, um nicht mit den Bei­nen an der Decke anzustoßen.

In einem zwei­ten Abteil befan­den sich der kür­ze­re Bar­ren und das Pferd. An ers­te­rem konn­te wie­der­um ein ordent­lich gewach­se­ner Tur­ner einen Hand­stand nicht voll aus­stre­cken, ohne mit den Füßen gegen die Decke zu stoßen.

Das drit­te Abteil wur­de für Frei‑, Stab- und Ord­nungs­übun­gen benützt. Alle drei Abtei­le waren noch durch Holz­säu­len abge­stützt, sodass auch in dem von Gerä­ten frei­en Kel­ler nie mehr als zwölf Mann gleich­zei­tig tur­nen konn­ten. In der Reck­ab­tei­lung soll man oft Mühe gehabt haben, sich in den Staub­wol­ken zurecht zu fin­den, und noch am andern Tag erin­ner­te das Schnupf­tuch an die ver­gan­ge­ne Turnstunde.“

1877

Mit dem 11. Rang von 23 Ver­ei­nen am Kan­to­nal­turn­fest erst­mals nahe den Krän­zen. Ers­te Sta­tu­ten­re­vi­si­on nach leb­haf­ter Beratung.

Wie leb­haft die Bera­tung war, liest man hier unten:

„Als wei­te­res und wich­ti­ges Geschäft liegt dem Vor­stand 1877 noch die Revi­si­on der Ver­eins­sta­tu­ten auf dem Magen und die­sel­be wird so gründ­lich und unter so hef­ti­ger Dis­kus­si­on durch genom­men, daß Hei­ri Kel­ler (Wirt zum Stein­bock) mehr wie ein­mal den Kopf durch die Türe steckt, in der Mei­nung, wir hät­ten ein­an­der beim Grind genommen.“

1886

11. Rang am Eid­ge­nös­si­schen Turn­fest in Basel. „Die­se Erfol­ge brach­ten neben einer Ver­meh­rung des Anse­hens auch eine wesent­li­che Erhö­hung des Ver­trau­ens der Behör­den zum Turn­ver­ein.“ Dies­mal erfolg­rei­che Bewer­bung zur Durch­füh­rung des kan­to­na­len Turn­fests 1887.

1887

Organisation des Kantonalturnfests:

Ehren­prä­si­di­um des Gemein­de­prä­si­den­ten und eines Kan­tons­rats, Stab von 60 Mann, Unter­stüt­zung der Bevöl­ke­rung mit 3570 Fran­ken an Akti­en und 2382.50 an frei­wil­li­gen Bei­trä­gen und präch­ti­ge Gaben. Fest­platz ist der Exer­zier­platz neben der Kaser­ne. Gros­se Fest­hüt­te mit elek­tri­scher Beleuch­tung, ein­heit­li­che tadel­lo­se Turn­ge­rä­te, Fest­mu­sik „Kon­kor­dia“ für 850 Fran­ken Gage, Ein­quar-tie­rung des Kan­to­nal­vor­stands, des Kampf­ge­richts und der Ein­zel­wett­tur­ner in Pri­vat­un­ter­künf­ten, Mas-sen­quar­tier in der Kaser­ne, Über­schuss von 1370 Fran­ken gene­riert und dank dem Turn­fest eine Zunah­me der Mit­glie­der von 137 auf 188.

„Am Vor­ta­ge, wäh­rend die gan­ze Ein­woh­ner­schaft noch mit Deko­rie­ren der Häu­ser und Stras­sen beschäf­tigt war, rück­ten bereits der Kan­to­nal­vor­stand, das Kampf­ge­richt und die Abge­ord­ne­ten der am Fes­te teil­neh­men­den Sek­tio­nen ein, um den Fest­platz und die Mas­sen­quar­tie­re in Augen­schein zu neh­men. Zur nicht gerin­gen Bestür­zung der Aus­ser­sih­ler nahm das seit drei Wochen andau­ern­de präch­ti­ge Som­mer­wet­ter gera­de am Vor­ta­ge des Fes­tes Abschied und ein mäch­ti­ger Wind­sturm, der die Stra­ßen in Staub­wol­ken hüll­te, schlepp­te Gewit­ter­wol­ken her­bei, die nichts gutes ahnen lie­ßen. Der Fest­mor­gen, durch Böl­ler­schüs­se auf­ge­weckt, sah einen impo-san­ten Fest­zug von ca. 1500 Tur­nern, beglei­tet von zwei Musik­korps und einem 16 Mann star­ken Tam­bou­ren­korps des fest­ge­ben­den Ver­eins durch die reich beflagg­ten Stras­sen Aus­ser­sihls zie­hen. Eine gros­se turn­freund­li­che Men­schen­men­ge begrüss­te über­all die ein­zie­hen­den Scha­ren im weis­sen Gewand. … In den Anspra­chen … des Fest­prä­si­den­ten von Aus­ser­sihl, Kan­tons­rat Frit­schi, wur­de u.a. auch der bevor­ste­hen­den Ver­ei­ni­gung von Zürich mit den Aus­sen­ge­mein­den, die der in Finanz­nö­ten ste­cken­den Gemein­de Aus­ser­sihl beson­ders am Her­zen lag, Erwäh­nung getan und mit begeis­ter­ten Wor­ten ein guter Erfolg der Bemü­hun­gen herbeigesehnt.

Barrenturner im Freien Copyright © 1868 - 2018 Turnverein Aussersihl Zürich /tvaz.ch

Bar­ren­tur­ner im Frei­en Copy­right © 1868 – 2018 Turn­ver­ein Aus­ser­sihl Zürich /tvaz.ch

 

Beim Sek­ti­ons- und Ein­zel­wet­tur­nen öff­ne­te der Him­mel unbarm­her­zig sei­ne Schleu­sen und goss sei­nen Vor­rat als höchst unwill­kom­me­ne Gabe auf den Fest­platz. In aller Eile muss­ten die Gerä­te in die Mili­tär- und Pri­vat­reit­an­stal­ten, sowie in die Turn­hal­le trans­por­tiert und dort die tur­ne­ri­sche Arbeit fort­ge­setzt wer­den. Das Abend­ban­kett ver­ei­nig­te Tur­ner und Gäs­te in der Fest­hüt­te. Bald war die­se durch den kolos­sa­len Zudrang des Publi­kums über­füllt, sodass noch Sitz­ge­le­gen­hei­ten im Frei­en geschaf­fen wer­den muss­ten. Vor­trä­ge der Fest­mu­sik, des Män­ner­chors Aus­ser­sihl und der Gesangs­sek­ti­on des Turn­ver­eins, sowie Vor­füh­run­gen der Sek­tio­nen Wädens­wil und Basel-Grüt­liturn­ver­ein ern­te­ten stür­mi­schen Beifall.“

1888

Eid­ge­nös­si­sches Turn­fest in Luzern.

1889

Neu­er Fest­tur­nus auf eid­ge­nös­si­scher und kan­to­na­ler Ebe­ne, des­halb kein gros­ses Turn­fest in die­sem Jahr. Dafür Dele­ga­ti­on von 8 Tur­nern in einer über­re­gio­nal gebil­de­ten Sek­ti­on, die ans Deut­sche Bun­des­turn­fest in Mün­chen fährt. Stif­tung der zwei­ten Fah­ne, wie­der durch den Töch­ter­chor Aus­ser­sihl. Fah­nen­wei­he mit Preis­schau­tur­nen und Abend­un­ter­hal­tung in der Turnhalle.

Vereinsfahne 1889 Vorderseite Copyright © 1868 - 2018 Turnverein Aussersihl Zürich /tvaz.ch

Ver­eins­fah­ne 1889 Vor­der­sei­te Copy­right © 1868 – 2018 Turn­ver­ein Aus­ser­sihl Zürich /tvaz.ch

CopyriVereinsfahne 1889 Rückseite Copyright © 1868 - 2018 Turnverein Aussersihl Zürich /tvaz.chght © 1868 - 2018 Turnverein Aussersihl Zürich /tvaz.ch

Ver­eins­fah­ne 1889 Rück­sei­te Copy­right © 1868 – 2018 Turn­ver­ein Aus­ser­sihl Zürich /tvaz.ch

Ein Gedicht des Winterthurer Schriftstellers und Heimatdichters Jakob Christoph Heer für die Fahnenweihe von 1889

Ihr Tur­ner, so lasst Euer Ban­ner wehen,
Der Treue Zei­chen, hoch im Sommerduft,
Wenn durch den Wald der Turn­fahrt Klän­ge gehen,
Das Horn zum fro­hen Wett­kampf ruft,
Und führ‘ es Euch von Sieg zu grös­se­rem Siege;
Doch auch zum gröss­ten, daß es immerdar,
So oft es flat­ternd Euch zu Häup­ten fliege,
Euch freu­dig grüs­se als geein­te Schar.
Die Einig­keit, sie sei Euch Ziel und Ende,
Das mahnt des Ban­ners herr­li­ches Symbol,
Das sinn‘ge schö­ne Bild ver­schlun­ge­ner Hände,
O, nehmt es hin, als Mah­nung, Stern und Pol.
Dann mag der Kranz auch wohl die stol­ze Fahne,
Einst schmü­cken mit des Lor­beers dun­kelm Grün,
Wenn jubel­freu­dig unterm Festaltane
Die Tur­ner­völ­ker froh vorüberziehn.
„Heil Aus­ser­sihl“ – Wie wird es widertönen
In unsern Her­zen, ja bei Jung und Alt,
Wenn laut der Preis von unsern wackern Söhnen,
Die Kun­de ihres Siegs das wei­te Land durchschallt.

1890

Der Turn­ver­ein Aus­ser­sihl ist schweiz­weit bekannt, Ein­la­dun­gen zu Schau­tur­nen und Turn­fes­ten. Teil­nah­me am Schaff­hau­ser Kan­to­nal­turn­fest in Hall­au. Ers­ter Sieg im Sek­ti­ons­wett­tur­nen an einem Kan­to­nal­turn­fest in der Enge. Wei­te­re Zunah­me der Mit­glie­der auf 249. Daher aber auch wie­der Platzprobleme.

1891

Eid­ge­nös­si­sches Turn­fest in Genf. Teil­nah­me mit 80 Mann (Fest­bumm­ler inbe­grif­fen) dank Unter­stüt­zung durch Freun­de und Gön­ner. Tur­ne­ri­scher Erfolg: höchs­te Note in der ers­ten Kate­go­rie, „mit einem zu 300 Fran­ken gewer­te­ten Trink­horn als Gabe beehrt“. Emp­fang durch Behör­den und Bevöl­ke­rung. Ver­le­gung des Ver­eins­lo­kals in das neu eröff­ne­te „Kasi­no“, tur­ne­risch – gesang­li­che Vor­stel­lun­gen, wohl­tä­ti­ge Ver­ga­bun­gen aus dem finan­zi­el­len Ergeb­nis möglich.

1892

Kein kan­to­na­les oder eid­ge­nös­si­sches Turn­fest. Des­halb initi­iert der Aus­ser­sih­ler Ober­tur­ner Jac­ques Wyd­ler eine Zür­cher Sek­ti­on, die am VIII. Fran­zö­si­schen Bun­des­turn­fest in Nan­cy teil­nimmt (23 Aus­ser­sih­ler und 13 ande­re Zür­cher Turner).

1893

Kan­to­nal­turn­fest in der Nach­bar­schaft in Wiedikon.

Gedie­ge­ne 25-Jahr-Jubi­lä­ums­fei­er mit Preis­schau­tur­nen. Gute und frucht­ba­re Vor­be­rei­tungs­sit­zun­gen. „Wie vor altem gedie­hen die wich­tigs­ten Beschlüs­se unter dem wohl­tä­ti­gen Ein­flus­se des köst­li­chen Nas­ses, dem die Wir­te ihr Dasein und die Komi­tee­mit­glie­der ihre lee­ren Porte­mon­naies ver­dan­ken.“ Fest­tag: Wet­ter­pech, Fest­zug und Preis­schau­tur­nen fal­len ins Was­ser, Mit­tags­ban­kett im Kasi­no­saal, Abend­un­ter­hal­tung, Zirkusaufführung.

Gründung einer Gesangssektion:

1871 Auf­nah­me des Gesangs­un­ter­richts, zuerst aber „nur Knei­pli­e­der, wel­che die Sän­ger auf die Dau­er selbst nicht befrie­dig­ten“. Zer­fall der Gesangs­sek­ti­on. Neu­grün­dung 187778, es fehl­te aber am „nöti­gen Stim­men­ma­te­ri­al“. Der in Aus­ser­sihl neu­ge­wähl­te Leh­rer Albert Wyd­ler nahm einen neu­en Anlauf: Ver­ei­ni­gung unse­rer Gesangs­sek­ti­on mit jener des Ämt­ler Ver­eins. 1894 über­nahm der Ober­tur­ner Jac­ques Wyd­ler auch die Lei­tung der Gesangssektion.

Copy­right © 1868 – 2018 Turn­ver­ein Aus­ser­sihl Zürich /tvaz.ch  für alle Tex­te und Bilder.