Sächsilüüte in Züri – Zur Entstehung

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Das zünf­ti­ge Zür­cher Früh­lings­fest geht auf his­to­ri­sche, gewer­be­recht­li­che und heid­ni­sche Wur­zeln zurück.

Ein Fest mit drei Wurzeln

Das heu­ti­ge Sech­se­läu­ten geht auf drei unter­schied­li­che Wur­zeln zurück: Zum Ers­ten auf die Zür­cher Zünf­te, die als poli­ti­sche, mili­tä­ri­sche, sozia­le und gewerb­li­che Insti­tu­tio­nen über 450 Jah­re die Geschi­cke der Stadt gelenkt und bestimmt haben. Sie bil­den die Trä­ger­schaft des Zür­cher Früh­lings­fes­tes. Die eins­ti­ge Gewer­be­ord­nung der Zünf­te bestimm­te die Arbeits­zei­ten der Hand­wer­ker. Damit hängt die zwei­te Wur­zel des Sech­se­läu­tens zusam­men: Im Som­mer wur­de mit dem «Sechs-Uhr-Läu­ten» das Ende der Arbeits­zeit ange­zeigt, wäh­rend im Win­ter auf­grund der Licht­ver­hält­nis­se nur bis fünf Uhr gear­bei­tet wer­den konn­te. Schliess­lich stellt ein heid­ni­scher Brauch – das Ver­bren­nen des Win­ters als Sinn­bild für den Beginn der wär­me­ren Jah­res­zei­ten – die drit­te Wur­zel dar.

Stadtzunft und Quartierzünfte

1867 bis heu­te: Die Zünf­te der jün­ge­ren Linie ent­stan­den, Zuzü­ge aus Stadt und Vor­stadt führ­ten zur aktu­el­len Anzahl.

Dass für neue Zünf­te ein ech­tes Bedürf­nis bestand, ergibt sich aus der Tat­sa­che, dass unmit­tel­bar nach dem Schwin­den jeg­li­chen poli­ti­schen Ein­flus­ses 1867 spon­tan eine Gesell­schaft ent­stand, um «den glei­chen Zwe­cken zu die­nen wie die alten Zünf­te». Die­ser «Stadtz­unft», wie sich die neue Gesell­schaft nann­te, folg­ten dann wei­te­re Zünf­te «der neu­en Linie», die meis­ten in zwei Schü­ben, näm­lich im Zusam­men­hang mit den Ein­ge­mein­dun­gen von 1893 und 1934. Die Grün­der­vä­ter der Quar­tier­zünf­te woll­ten sich einer­seits bewusst zur Stadt beken­nen, ander­seits aber auch die Erin­ne­rung an die ehe­ma­li­gen Gemein­den wach halten.

Kinderumzug

Ver­gli­chen mit der Geschich­te des Zunft­we­sens ist der Kin­der­um­zug ver­gleichs­wei­se jung: Der ers­te zünf­ti­ge Kin­der­um­zug oder, genau­er gesagt, der ers­te Kna­ben­um­zug fand im Jahr 1862 statt. Orga­ni­sa­tor war der Wid­der-Zünf­ter Hein­rich Cra­mer. Fes­ti­vi­tä­ten oder Umzü­ge zur Fei­er des Früh­lings­be­ginns hat­te es schon vor­her gege­ben. Die Mäd­chen waren erst beim zwei­ten Jugend­um­zug von 1867 dabei. Inter­es­sant war in die­ser frü­hen Peri­ode der Umstand, dass nicht nur die Zünf­te, bezie­hungs­wei­se das „Sech­se­läu­ten-Cen­tral-Comi­té“ als Orga­ni­sa­to­ren in Erschei­nung tra­ten son­dern auch die Nach­barn­ge­sell­schaft im Kratz-Qua­tier, der Renn­weg­ver­ein oder die Quar­tier­ver­ei­ni­gung Sel­n­au. Eine der gros­sen Attrak­tio­nen an den dama­li­gen Kin­der­um­zü­gen war übri­gens die Ver­bren­nung des Bööggs, den man auf einem Wagen mitführte.

1896 war es dann (end­lich) so weit: Das Cen­tral-Comi­tée über­nahm den Kin­der­um­zug in eige­ner Kom­pe­tenz. In die­ser Pio­nier­pha­se war der Kin­der­um­zug weni­ger eng mit der Geschich­te und Tra­di­tio­nen der ein­zel­nen Zünf­te ver­bun­den, viel­mehr ent­hielt er noch wesent­li­che Ele­men­te von den damals belieb­ten The­men­um­zü­gen, etwa mit Figu­ren aus den Mär­chen der Brü­der Grimm.

Bis ins Jahr 1920 fand der Kin­der­um­zug wei­ter­hin am Mon­tag­mor­gen statt. Ziel war fast das glei­che wie heu­te: die Ton­hal­le, wo die Kin­der nach dem Umzug ein­tra­fen, wur­den Wurst, Brot und Tee offe­riert. Offen­sicht­lich waren die Kin­der damals aus­ge­spro­chen fit: Kaum ver­pflegt tanz­ten sie bis gegen Mit­tag. 1921 wur­de der Kin­der­um­zug auf den Sonn­tag­nach­mit­tag ver­legt. Ein Zeit­punkt, der sich bis heu­te bewährt hat, haben doch nament­lich die klei­ne­ren Kin­der Gele­gen­heit, sich bis zum Zug der Zünf­te am Mon­tag, etwas auszuruhen.

In den fol­gen­den Jahr­zehn­ten ent­wi­ckel­te sich der Kin­der­um­zug im Sin­ne einer Annä­he­rung an das kul­tu­rel­le Erbe der ver­schie­den Zünf­te wei­ter. Die Ele­men­te der The­men­um­zü­ge konn­ten sich aber noch vie­le Jah­re hal­ten. Noch 1958 schrieb Edwin Arnet, Chro­nist der Neu­en Zür­cher Zei­tung: „Auf den Fah­nen­wald der ehe­ma­li­gen Nach­bar­ge­mein­den des alten Zürich folgt der Tross des Mit­tel­al­ters mit Herol­den, Hof­nar­ren und Edel­leu­ten und dann das Heer der Schwei­zer Trach­ten. Nach der schö­nen Grup­pe ‚Zür­cher Zünf­te’, in der die klei­nen Zunft­fah­nen, die Jun­gen der wirk­li­chen Fah­nen flat­tern und das aris­to­kra­ti­sche Zürich andeu­ten, wird das Mär­chen­buch auf­ge­schla­gen, und man sieht Trach­ten aus aller Welt, womit vor allem der Wil­de Wes­ten und der Fer­ne Osten gemeint sind.“

1962 orga­ni­sier­te das ZZZ den Kin­der­um­zug als Jubi­lä­ums­um­zug zum 100sten Geburts­tag des ers­ten Kna­ben­um­zugs. Über 3500 Kin­der nah­men nebst Hun­der­ten von Musi­kan­ten und Begleit­per­so­nen am fest­li­chen Zug teil. In den kom­men­den Jahr­zehn­ten war der Kin­der­um­zug immer wie­der eine Insti­tu­ti­on, bei der man ohne wei­te­res eine Erneue­rung wag­te. Der Kin­der­um­zug hat sich mit sei­ner Offen­heit für alle Kin­der aus Stadt und Kan­ton Zürich und mit sei­ner Inte­gra­ti­on der aus­län­di­schen kul­tu­rel­len Grup­pen als ful­mi­nan­ter Auf­takt zum Sech­se­läu­ten für die gesam­te Bevöl­ke­rung eta­bliert. Frü­her wur­de er nur bei schö­nem Wet­ter durch­ge­führt, wobei die Beflag­gung der Kir­che St. Peter das Zei­chen für die Durch­füh­rung war. Heu­te fin­det der Umzug bei jeder Wit­te­rung statt.

“Böög”

Die Ver­bren­nung des heu­te bekann­ten Sech­se­läu­ten-Bööggs hat sei­nen direk­ten Ursprung im Kratz­quar­tier, dem Gebiet zwi­schen Frau­müns­ter und dem heu­ti­gen Bür­kli­platz. Die «Chrätz­ler-Bue­ben» ver­brann­ten seit Jahr­hun­der­ten einen oder gar meh­re­re Böög­gen auf ver­schie­de­nen «Richt­plät­zen». Wie vie­le Feu­er­bräu­che waren auch die Böög­gen-Ver­bren­nun­gen an die Früh­jahrs-Tag­und­nacht­glei­che gebun­den. So wur­den die Böög­gen der Kratz­bu­ben jeweils just zu dem Moment ver­brannt, zu wel­chem die Zünf­ter ihr Sech­se­läu­ten begin­gen. Die Kratz­bu­ben waren es übri­gens auch, wel­che began­nen, ihre Böög­gen mit aller­lei Feu­er­werks­kör­pern zu stopfen.

Aus­lö­ser für die Inte­gra­ti­on des Bööggs in das Sechs­läu­ten­fest war der rüh­ri­ge Wid­der-Zünf­ter Hein­rich Cra­mer, der den ers­ten «offi­zi­el­len» Kin­der- bzw. Kna­ben­um­zug fach­kun­dig orga­ni­sier­te und damit Ord­nung in die bis dahin unstruk­tu­rier­ten, spon­ta­nen Umzü­ge der «Chrätz­ler-Bue­ben» brach­te, wel­che ihren Böögg vor der «Hin­rich­tung auf dem Schei­ter­hau­fen» durch die Stadt karr­ten. Es brauch­te indes noch dreis­sig Jah­re, bis die Böög­gen­ver­bren­nung 1892 als fes­ter Bestand­teil in den Ablauf des Sech­se­läu­tens auf­ge­nom­men wur­de. In Gestalt eines Schnee­man­nes wird der Böögg erst seit dem Anfang des 20. Jahr­hun­derts auf dem Holz­stoss ver­brannt. Die Bezeich­nung «Böögg» bedeu­tet in Zürich «ver­klei­de­te, ver­mumm­te Gestalt» (vergl. «Fas­nachts-Böögg»).

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