Nach 28-Jahren: Stabübergabe in der Kanzleiturnhalle: Filippo Leutenegger einigt sich mit dem “roten Bindella”

Vor 28 Jah­ren über­gab der bür­ger­li­che Stadt­rat Hans Wehr­li gegen Kri­tik dem 80er Koni Frei die Kanz­leit­urn­hal­le. Frei muss­te sich per­sön­lich ver­pflich­ten, dass es zu kei­ner­lei Kra­wal­len käme. Und dass das Pro­gramm die Stadt nichts kos­ten wür­de. Dank einer Über­ein­kunft mit Filip­po Leu­ten­eg­ger, kann Frei die Hal­le nun an die jun­ge Gene­ra­ti­on wei­ter­ge­ben, die sie wie bis­her wei­ter­füh­ren wird. Ohne Kos­ten für die Stadt, mit einem brei­ten Ver­an­stal­tungs­an­ge­bot, das von den Wochen­end­dis­cos quer­fi­nan­ziert ist. 

Anfangs 90er Jah­re zahl­te die Stadt Zürich Unsum­men, um die Turn­hal­le des Kanz­lei­zen­trums rund um die Uhr von Secu­ri­tas bewa­chen zu las­sen. Immer wie­der war es zu Beset­zun­gen, Beset­zungs­ver­su­chen und zu Pro­tes­ten diver­ser Quar­tier­ak­ti­vis­tin­nen und Pro­test­rou­ti­niers gekom­men, die die Turn­hal­le auf dem Kanz­lei­are­al für ihre Zwe­cke bean­spruch­ten. 1990 hat­te die Stimm­be­völ­ke­rung die dau­er­haf­te Ein­rich­tung eines Quar­tier­zen­trums auf dem Kanz­lei­are­al knapp abge­lehnt. Die Lage war kom­pli­ziert, sie war ver­zwickt, bis zwei gegen­sätz­li­che Cha­rak­ter­köp­fe den gor­di­schen Kno­ten durch­schlu­gen. FDP-Schul­vor­stand Hans Wehr­li unter­zeich­ne­te einen Ver­trag mit Kon­rad Ema­nu­el Frei, der sei­ne Spo­ren bei den 68ern ver­dient hat­te und dann Draht­zie­her in der 80er Bewe­gung gewor­den war. Aus­ge­rech­net: Dem Pfar­rers­sohn, der erst Theo­lo­gie und dann Wirt­schaft stu­diert hat­te, im Mili­tär Offi­zier gewor­den und dann bei unzäh­li­gen lin­ken Grup­pen und Aktio­nen feder­füh­rend war, woll­te ein bür­ger­li­cher Stadt­rat die Turn­hal­le geben. Der Druck auf Wehr­li war gross. Plötz­lich tauch­ten Poli­zei­ak­ten von Koni Frei auf. Im Schul­amt gab es Gegen­wind. Im Gemein­de­rat wur­de debat­tiert und gewarnt, Medi­en rie­ten ab, denn es dro­he ein “Agi­ta­ti­ons­zen­trum”. Aber Wehr­li hielt am Deal, der die poli­ti­schen Welt­an­schau­un­gen über­brück­te, fest. Sei­ne Bedin­gun­gen: Die Stadt wür­de kei­nen Rap­pen Sub­ven­tio­nen zah­len. Von der Turn­hal­le dürf­ten kei­ne Kra­wal­le aus­ge­hen. Und der Ver­trag wür­de ad per­so­nam geschlos­sen, Koni Frei sei für alles per­sön­lich verantwortlich.

Es folg­te ein Ämter­ma­ra­thon, und trotz bestan­de­ner Wir­te­prü­fung erteil­te die Wirt­schafts­po­li­zei Frei kein Gas­tro­füh­rungs­pa­tent. Begrün­dung: Frei habe “ein gestör­tes Ver­hält­nis zu den Behör­den”. Dar­auf muss­te Freis Part­ner Zsolt Tsche­li­gi ein­sprin­gen und kur­zer­hand die Prü­fung fürs Wir­te­pa­tent able­gen. Am 1. August 1993 konn­ten Frei und Wehr­li bei der  anstos­sen. Pro­sit auf ein Pro­jekt, von dem kei­ner­lei Radau aus­ge­hen soll­te. Und das bis heu­te nie städ­ti­sche Gel­der bezog. Die Dis­co am Wochen­en­de trägt all die Ver­an­stal­tun­gen, die von Poe­tik­vor­le­sun­gen bis zu Abdan­kun­gen rei­chen und Raum­be­dürf­nis­se befrie­di­gen, die vom Schul­amt bis zu Soli­da­ri­tät-mit-für-gegen-Grup­pen gehen. Das Erfolgs­re­zept über all die Jah­re for­mu­liert Koni Frei so: “Mein Part­ner Zsolt Tsche­li­gi regel­te alles Finan­zi­el­le. Kam die Poli­zei, war ich zur Stel­le.” Prak­ti­scher­wei­se wohnt Koni Frei um die Ecke an der Hel­mutstras­se, der wohl wich­tigs­ten Erfolgs­ge­schich­te der 80er-Beset­zer­be­we­gung. Und über die Jah­re wur­de der Mann nicht nur ein Inti­mus diver­ser städ­ti­scher Dienst­stel­len, son­dern auch ein gewief­ter Gas­tro­nom, der neben dem Restau­rant Volks­haus diver­se Betrie­be ver­ant­wor­tet, was ihm bei der Poli­zei den Spitz­na­men “der rote Bin­del­la” ein­trug.

Inzwi­schen ist Koni Frei Mit­te Sieb­zig, der Ver­trag ein Aus­lauf­mo­dell. Und wie­der gab es ver­schie­de­ne Inter­es­sen­ten für die zen­tral gele­ge­nen Turn­hal­le. Dass das bis­he­ri­ge Modell wei­ter­ge­führt wer­den kann, ist FDP-Schul­vor­stand Filip­po Leu­ten­eg­ger zu ver­dan­ken, der eben­so prag­ma­tisch und unideo­lo­gisch wie sein Vor­gän­ger Wehr­li die Wei­ter­füh­rung des Modells ermög­licht. Kon­kret: Neu über­nimmt Fabi­an Mül­ler die Turn­hal­le, die er im Sinn und Geist Freis und Tsche­li­gis wei­ter­füh­ren wird, wel­che ihm bera­tend zur Sei­te ste­hen. Mül­ler, Jahr­gang ‘84, ist seit 2004 in wech­seln­den Funk­tio­nen in der Kanz­leit­urn­hal­le tätig und ver­fügt über brei­te Gas­tro­er­fah­rung. Selbst­ver­ständ­lich wird die Stadt auch wei­ter­hin kei­ne Sub­ven­tio­nen bezah­len, so viel Wehr­li bzw. Leu­ten­eg­ger muss auch im rot­grü­nen Kreis 4 sein.