Politik in Aussersihl

Arbeiterbewegung und Politik

Helvetiaplatz

Aus­ser­sihl ist von Beginn weg eine ein­zi­ge Geschich­te, wie man mit Benach­tei­li­gun­gen umge­gan­gen ist. Die Stadt Zürich pla­zier­te ihre unan­ge­neh­men Din­ge aus­ser­halb, meis­tens im Gebiet der ehe­ma­li­gen Gemein­de Aussersihl.

Das Sie­chen­haus und spä­te­re Pfrund­haus, der Gal­gen­hü­gel und der Hin­rich­tungs­platz befan­den sich in Aus­ser­sihl, das Abwas­ser und der Abfall wur­de in Aus­ser­sihl ent­sorgt. Die Wei­ge­rung der Wie­di­ker, Bewoh­nern aus­ser­halb ihrer enge­ren Gemein­de vol­le Rech­te zu gewäh­ren, führ­te schliess­lich zur Grün­dung der neu­en selb­stän­di­gen Gemein­de Aus­ser­sihl. Die unge­stü­me Zuwan­de­rung von Arbeits­kräf­ten aus allen Him­mels­rich­tun­gen fand zum gros­sen Teil eben­falls in Aus­ser­sihl statt. Dass sich in einem sol­chen Bal­lungs­raum von Ereig­nis­sen spe­zi­el­le poli­ti­sche Situa­tio­nen erge­ben haben” liegt auf der Hand.

Ver­gleicht man die Situa­ti­on von heu­te mit frü­her, sind wir noch immer der Ort, wo Din­ge pla­ziert wer­den, die anders­wo nicht sein dür­fen und wir uns mehr als anders­wo mit gesell­schaft­li­chen und Bevöl­ke­rungs­pro­ble­men aus­ein­an­der­set­zen müssen.

Politische Verhältnisse vor der Eingemeindung Aussersihls

In der alten Blu­me in Aus­ser­sihl – heu­te Restau­rant St. Jakob, grün­de­te im Herbst 1845 der Leh­rer Johann Jakob Treich­ler den Gegen­sei­ti­gen Hülfs- und Bil­dungs­ver­ein, der es als sei­ne nächs­te Auf­ga­be bezeich­ne­te, sich mit sozia­lis­ti­schen Ideen bekannt zu machen und der immer mehr um sich grei­fen­den Not der arbei­ten­den Klas­sen zu steu­ern. Am 23. Novem­ber 1851 wur­de Karl Bür­kli, der sich als Sozia­list bekann­te, in den Gros­sen Rat gewählt.

Die bereits in den sech­zi­ger Jah­ren ein­ge­setz­te star­ke Bevöl­ke­rungs­zu­nah­me brach­te Aus­ser­sihl über­gros­se Schul­las­ten und finan­zi­el­le Schwie­rig­kei­ten. Aus­ser­sihl wur­de eif­rigs­ter Befür­wor­ter einer Ver­ei­ni­gung mit der Stadt Zürich” 1891 stimm­ten die Aus­ser­sih­ler mit 4440 Ja gegen nur 43 Nein der Ein­ge­mein­dung zu.

Anfäng­lich bestan­den unüber­brück­ba­re Gegen­sät­ze zwi­schen Demo­kra­ten, wel­che eng mit den Arbei­tern ver­bun­den waren und den Libe­ra­len (Frei­sin­ni­gen). Mit den Jah­ren wur­den auch Demo­kra­ten wohl­ha­bend, die Inter­es­sen von Demo­kra­ten und Frei­sin­ni­gen ver­misch­ten sich, Demo­kra­ten und Arbei­ter gin­gen getrenn­te Wege, der Ein­fluss der Demo­kra­ten sank.

Die Arbei­ter­schaft liess sich immer mehr von sozia­lis­ti­schen Idea­len erwär­men, sag­te der Aus­beu­tung durch die Besit­zen­den den Kampf an, die Demo­kra­ten schwo­ren ihren radi­ka­len Auf­fas­sun­gen ab. Der alten Brü­der­schaft ver­dank­ten es die anfäng­lich noch libe­ral gesinn­ten Grüt­lia­ner (1848) und Sozi­al­de­mo­kra­ten (1877), die sich erst 1893 ver­ei­nig­ten bei der Bestel­lung städ­ti­scher und kan­to­na­ler Behör­den im Kreis III auch eine Ver­tre­tung zu erhal­ten. Bei der Wahl des Gros­sen Stadt­ra­tes (heu­te Gemein­de­rat) erhiel­ten sie 1892 acht Ver­tre­ter zuge­bil­ligt, wäh­rend die Demo­kra­ten mit sech­zehn und die Frei­sin­ni­gen mit sie­ben in den Rat ein­zo­gen.

Nach der Eingemeindung

Werdplatz

Am 1. Janu­ar 1893 trat die Ein­ge­mein­dung in Kraft, Aus­ser­sihl wur­de wie­der mit Wie­di­kon ver­ei­nigt und zum neu­en Kreis Ill, bis 1913 der Kreis 4 gebil­det und das Indus­trie­quar­tier als Kreis 5 ver­selb­stän­digt wur­de. Bedeu­tungs­voll für die Arbei­ter­be­we­gung war die ab 1. April 1898 her­aus­ge­ge­be­ne Arbei­ter­zei­tung Volks­recht spä­ter DAZ.

Bis zum Früh­ling 1902 hat­ten sich die Ver­hält­nis­se der­art ent­wi­ckelt” dass die Sozi­al­de­mo­kra­ten dem geei­nig­ten Bür­ger­tum gegen­über­stan­den. Als Pro­test gegen Benach­tei­li­gun­gen in den übri­gen Stadt­krei­sen und im Kan­ton sowie als Vor­kampf für die Ver­hält­nis­wahl wur­den sämt­li­che 27 Kan­tons­rats­sit­ze des Wahl­krei­ses III bean­sprucht, was am Abend des 27. April 1902 auch gelang. Ein his­to­ri­scher Moment, Aus­ser­sihl wur­de rot, die «Schlacht bei St. Jakob an der Sihl» gewon­nen, u.a. wur­den Fried­rich Eris­mann, Her­man Greu­lich, Pfar­rer Paul Pflü­ger, Sekun­dar­leh­rer Robert Sei­del gewählt.

Die Unter­le­ge­nen foch­ten die Wah­len an, am 18.8.1902 kas­sier­te der Kan­tons­rat mit 174 zu 14 Stim­men die Wah­len im Kreis III. Über­all wur­den Pro­test­ver­samm­lun­gen gegen die Kas­sa­ti­on abge­hal­ten. Auf der Rot­wand­wie­se pro­tes­tier­ten über fünf­tau­send Arbei­ter, als Red­ner­tri­bü­ne dien­te ein her­bei­ge­schlepp­tes Bruggewägeli.

Am 31. August 1902 fand der zwei­te Wahl­gang statt, alle 27 Sozi­al­de­mo­kra­ten wur­den mit noch bes­se­ren Resul­ta­ten gewählt. Bei den Gesamt­erneue­rungs­wah­len von 1931 fes­tig­te das rote Zürich sei­ne Stel­lung. 1933 erhielt die Sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Par­tei im Kreis 4 61% Stim­men­an­teil. Zum roten Zürich tru­gen auch die Kom­mu­nis­ten (Par­tei der Arbeit) bei. Stärks­te Aus­ser­sih­ler Par­tei mit 30–40% Stim­men­an­teil ist immer noch die Sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Par­tei, zusam­men mit ande­ren Links­par­tei­en bil­den sie im Kreis 4 die Mehr­heit. Die ande­ren Par­tei­en müs­sen sich, um sich Gehör zu ver­schaf­fen, umso mehr anstrengen.

Poli­tisch bedeu­tungs­voll sind nicht nur Par­tei­en, auch Gewerk­schaf­ten üben Ein­fluss aus und haben im Kreis 4 ihre Zen­tra­len. Auch aus­län­di­sche Grup­pie­run­gen machen im Kreis 4 auf sich auf­merk­sam” so ent­stand wäh­rend des zwei­ten Welt­krie­ges gegen faschis­ti­sche Ein­flüs­se die Colo­nia libe­ra ita­lia­na. Lenin und Mus­so­li­ni – als er noch Sozia­list war – hat­ten im Kreis 4 ihre Auftritte.

Haupt­ver­samm­lungs­platz Zürichs für aller­lei Anlie­gen ist der Hel­ve­ti­a­platz, hier fin­den die 1.-Mai-Ansprachen statt, gefei­ert wird im Zeug­haus­hof. Für Ver­samm­lun­gen dient das Volks­haus beim Helvetiaplatz.